Herzschrittmacher: Taktgeber bei Herzrhythmusstörungen

Herzschrittmacher: Taktgeber bei Herzrhythmusstörungen
Herzschrittmacher: Taktgeber bei Herzrhythmusstörungen
 
Eine Möglichkeit, bestimmte Formen von Herzrhythmusstörungen zu beheben, ist die elektrische Stimulation des Herzens durch einen Herzschrittmacher. Dieser übernimmt dann die Funktion des Sinusknotens, eines Nervenknotens im Herzen, der beim gesunden Herz als natürlicher Taktgeber fungiert. Schon bevor der diagnostische Nutzen des EKG bekannt wurde, gab es die Idee, das Herz mithilfe von elektrischem Strom zu beeinflussen. Erste Untersuchungen begannen nach der Erfindung der Batterie Ende des 18. Jahrhunderts. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelang es in einzelnen Versuchen, stillstehende Herzen mithilfe von elektrischer Stimulation wieder zum Schlagen zu bringen. Die ersten Herzschrittmacher waren große Geräte, die mit Elektroden funktionierten, die durch die Brustwand gestochen wurden. Dies war eine risikoreiche Operation, aber auch die als Alternative vorgeschlagenen auf die Haut aufgeklebten Elektroden hatten starke Nebenwirkungen. So traten Hautverbrennungen und Muskelstimulationen auf. Die Herzschrittmachertherapie etablierte sich erst, als eine Miniaturisierung der Geräte die Implantation möglich machte. Voraussetzung dafür waren vor allem die Fortschritte auf dem Gebiet der Elektronik und der Herzchirurgie. Der erste implantierbare Herzschrittmacher wurde 1958 entwickelt.
 
 Was ist ein Herzschrittmacher?
 
Die Kontraktion des Herzens wird beim gesunden Herz durch einen eingebauten Schrittmacher, den Sinusknoten, ausgelöst. Wenn dessen Funktion gestört ist, muss er durch einen künstlichen Herzschrittmacher ersetzt werden. Dieser ist über Elektroden mit dem Herz verbunden, an das er in regelmäßigen Abständen einen elektrischen Puls mit einer Spannung von ungefähr zwei bis fünf Volt abgibt. Die Zeitdauer zwischen zwei Pulsen, welche die Herzfrequenz regelt, wird von einer elektronischen Schaltung gesteuert. Seine Energie bezieht ein Herzschrittmacher aus Batterien. Der Grund für die Implantation eines Herzschrittmachers ist meist eine Erkrankung des Sinusknotens, die zu einer ungenügenden oder ganz ausfallenden Erzeugung von Schrittmacherpulsen im Sinusknoten führt. Es gibt aber auch Störungen in der Erregungsausbreitung, etwa im AV-Knoten, Vorhof oder der Herzkammer, die einen Herzschrittmacher erforderlich machen. Je nach Art der Erkrankung kann es nötig sein, Vorhöfe, Kammern oder beides mit Elektroden zu versehen. Die ersten Herzschrittmacher arbeiteten unabhängig von der vorhandenen Herzaktivität und mit einer fest eingestellten Frequenz. Moderne Geräte dagegen können die eventuell noch vorhandene Herzaktivität erkennen und geben ihre Pulse nur bei Bedarf ab. Eine gesteuerte Abgabe der Stimulationspulse ist wichtig, da es während der Erregungsausbreitung im Herzen zwei kritische, vulnerable Phasen gibt, während denen sich die Herzmuskelzellen in einem Zustand der ungleichmäßigen Erregungsrückbildung befinden. In diesem Zustand kann ein Stimulationspuls Kammerflimmern auslösen, was zu einem Kreislaufstillstand führt und, wenn überhaupt, nur durch den Elektroschock einer Defibrillation behoben werden kann.
 
 Aufbau eines Herzschrittmachers
 
Moderne Herzschrittmacher sind in einem Gehäuse aus Edelstahl oder Titan untergebracht, das hermetisch versiegelt ist. Den meisten Platz im Gehäuse nimmt die Batterie ein. Die ersten Herzschrittmacher hatten wegen der eingeschränkten Batteriekapazität nur eine kurze Lebensdauer. Heute werden fast nur noch Batterien, die auf Lithium als Elektrodenmaterial basieren, eingesetzt. Eine wichtige Eigenschaft von Lithiumbatterien ist der langsame Abfall der Kapazität über die Lebensdauer hinweg und die geringe Selbstentladung. Mit Lithiumbatterien konnte die Lebensdauer eines Herzschrittmachers wesentlich verlängert werden, sodass Herzschrittmacher nur noch selten wegen Batterieerschöpfung ausgewechselt werden müssen. Über Elektroden wird die Verbindung des Schrittmachers mit dem Herz hergestellt. Über sie werden einerseits die Stimulationspulse abgegeben, andererseits dienen sie zur Wahrnehmung des EKG-Signals. Es gibt bipolare Schrittmacher, bei denen sich zwei Elektroden im Herz befinden, und unipolare Schrittmacher, bei denen die Rolle einer Elektrode vom Gehäuse des Schrittmachers übernommen wird. So kann ein einfacheres einpoliges Elektrodenkabel verwendet werden. Ein Nachteil ist dabei allerdings, dass in diesem Fall die EKG-Wahrnehmung anfälliger gegenüber Störsignalen ist, da das Elektrodengehäuse wie eine Antenne wirkt.
 
Die Elektroden werden über eine Vene in das Herz eingeführt. Je nach Art der Herzrhythmusstörung werden sie in die Herzkammer oder die Vorhöfe eingebracht. Bei bifokalen Schrittmachern werden sowohl Kammer als auch Vorhöfe mit Elektroden versehen. Die Elektrode selbst besteht aus einer Elektrodenspitze, die aus Kohlenstoff oder aus speziellen korrosionsbeständigen Legierungen wie Elgiloy oder Platin-Iridium gefertigt ist. Daran angeschlossen ist das Elektrodenkabel, das aus einem metallischen Leiter besteht, der von einer Isolation aus Kunststoff — meistens Polyurethan — umgeben ist. Dieses Kabel ist wegen der Herz- und Atembewegung einer hohen Beanspruchung ausgesetzt. Durch die Herzbewegung wird es pro Jahr circa 40 Millionen Mal gebogen. Um den früher häufigen Elektrodenbruch zu vermeiden, werden heute mehrwendlige Elektroden eingesetzt. Diese sind aus mehreren nebeneinander gewickelten dünnen Drahtwendeln aufgebaut. Gleichzeitig muss der elektrische Widerstand der Elektroden gering sein, um das Stimulationssignal möglichst wenig geschwächt weiterzuleiten.
 
 Die Elektronik im Herzschrittmacher
 
Die ersten Herzschrittmacher kamen mit nur wenigen Bauteilen aus und konnten nur eine feste Frequenz erzeugen. Heutige Schrittmacher sind dank der Fortschritte der Computertechnik mikroprozessorgesteuert. Der Vorteil ist, dass sie sich auf diese Weise sehr flexibel an verschiedene Aufgaben anpassen können. Der Mikroprozessor steuert dabei Ein- und Ausgabeeinheiten zur Detektion des EKG-Signals und Abgabe des Stimulationspulses. Außerdem enthält er einen Programmspeicher, in dem sich das Programm befindet, welches Dauer, Stärke und Häufigkeit der Pulse steuert. Die zahlreichen Ablaufschemata für Schrittmacher unterscheiden sich unter anderem darin, welche Kammer stimuliert wird (Herzkammer, Vorhof oder beide), an welchen Kammern EKG-Signale wahrgenommen werden können und wie darauf reagiert wird. Außerdem können Herzschrittmacher über wieder beschreibbare Speicher verfügen, in denen Informationen über den Patienten, zum Beispiel das an den Elektroden wahrgenommene EKG, abgelegt werden können. Auch der Programmspeicher kann wieder beschrieben werden, wodurch eine Programmänderung ohne operativen Austausch des Schrittmachers möglich wird. Auf diese Weise kann ein Herzschrittmacher auch die Funktion eines Langzeit-EKG-Systems übernehmen. Außerdem ist es bei einem mikroprozessorgesteuerten Herzschrittmacher möglich, auch physiologische Signale, die von anderen Sensoren kommen, zu verarbeiten. So kann beispielsweise die Herzfrequenz und damit die Pumpleistung des Herzens an die momentane Belastung des Körpers angepasst werden.
 
 Programmierung des Herzschrittmachers
 
Die vielfältigen Möglichkeiten eines mikroprozessorgesteuerten Herzschrittmachers lassen sich nur ausnutzen, wenn seine Funktion von außen beeinflusst werden kann, man ihn also extern umprogrammieren kann. Dazu ist eine drahtlose Signalübertragung von außerhalb des Körpers zum implantierten Schrittmacher nötig. Hierzu werden mithilfe eines computergesteuerten Senders Radiowellen ausgestrahlt, deren Frequenz je nach Hersteller zwischen 30 und 150 Kilohertz, also im Langwellenbereich, liegt. Durch Verschlüsselung der Informationen wird das Risiko einer Fehlprogrammierung vermieden.
 
Es können eine Vielzahl von Parametern programmiert werden: Der wichtigste Parameter ist die Stimulationsfrequenz, das heißt die Häufigkeit der Pulse. Während früher einfache Herzschrittmacher meistens fest auf 70 Schläge pro Minute eingestellt wurden, kann die Pulshäufigkeit heute optimal an den einzelnen Patienten angepasst werden. Eine vorübergehende Absenkung der Stimulationsfrequenz kann auch nützlich für EKG-Untersuchungen sein, in denen man das ursprüngliche, unbeeinflusste EKG sehen möchte. Dieses hilft zum Beispiel, einen Herzinfarkt zu erkennen oder die Abhängigkeit des Patienten vom Schrittmacher zu beurteilen. Aber auch die Dauer des Stimulationspulses und dessen Stärke können variiert werden, wobei sich die Werte für jeden Patienten auf den individuell verschiedenen Mindestwert reduzieren lassen. Auf diese Weise wird Energie eingespart, die Lebensdauer der Batterie verlängert und damit ein vorzeitiger operativer Austausch des Schrittmachers vermieden. Ein weiterer Parameter, der programmiert werden muss, ist die Eingangsempfindlichkeit. Mit ihr wird festgelegt, welche Höhe ein Signal haben muss, damit es als Eigenaktivität des Herzens gewertet wird. Eine Anpassung ist wichtig, weil einerseits Störsignale unterdrückt werden müssen, aber auch kleine Aktivitäten zuverlässig erkannt werden sollen.
 
Wie beim Programmieren, bloß in umgekehrter Richtung, können Signale auch vom Schrittmacher zum Programmiergerät gesendet werden. So lassen sich Informationen über den Status des Schrittmachers, beispielsweise den Zustand der Elektroden, die Batterieladung und den Stromverbrauch abfragen. Außerdem ist die Übertragung eines vom Schrittmacher aufgezeichneten EKGs auf diese Weise möglich.
 
Dr. Harald Münch, Heidelberg und Dipl.-Phys. Renate Jerei, Heidelberg
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Implantat: Künstlicher Ersatz eines Organs
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Defibrillator: Ein Gerät der Notfallmedizin

Universal-Lexikon. 2012.

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